Chronik 1884 - 1984

Anmerkungen zur Geschichte Frauensteins

Will man etwas über den Turnverein Frauenstein erzählen, so muss man zunächst die Geschichte des Ortes betrachten. Frauenstein gibt es schon länger als 775 Jahre, den Turnverein „erst" seit 125 Jahren, dennoch gehören beide Geschichten zusammen, denn es waren Angehörige alteingesessener Familien, die den Turnverein gründeten. Vielleicht waren unter den Gründungsmitgliedern Männer, deren Vorfahren schon unter den „Vrowensteiner" Rittern ihre Felder bestellten.

Vor 778 Jahren, also 1231, wurde der Name „Vrowenstein" zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt. Dieses Datum wird heute als Gründungsdatum geführt, aber es ist wahrscheinlich, dass der Ort oder, besser gesagt, die Burg und die umliegenden Häuser schon früher existierten.

Das Marschallamt als Lehen von Mainz hatte das Rittergeschlecht der „Vrowensteiner" inne; es vererbte sich jeweils auf den erstgeborenen Sohn. Die nach ihm benannte Burg diente hauptsächlich zur Abwehr der östlichen Nachbarn, der Grafen von Nassau. Die „Vrowensteiner", die wohl nie die Burg bewohnten, verarmten in den nächsten Jahren ziemlich schnell.

Eine selbständige Gemeinde mit eigener Gemarkung wurde Frauenstein erst um 1300, als die Burg und die dazugehörigen Besitztümer, die ursprünglich zur Gemarkung Schierstein und damit den Grafen von Nassau gehörten, an das Erzstift Mainz verkauft wurden.

Ein eigenes Ortsgericht erhielt Frauenstein gegen Ende des 14. Jahrhunderts. Das noch erhaltene älteste Gerichtsbuch der Gemeinde beginnt im Jahre 1413. Gericht wurde immer unter der noch heute zu bewundernden Linde abgehalten.

Die Tätigkeit des Gerichtes bestand jedoch nur in der freiwilligen Gerichtsbarkeit; sie umfasste vor allem Eheverträge, aber auch Kaufbeurkundungen, Beglaubigungen von Vermächtnissen, sowohl Streitigkeiten um Durchgangswege als auch Streitigkeiten um Leitern und ein „Paar Buxen". Die anderen Gerichtssachen (z.B. Verbrechen) unterstanden dem Eltviller Oberhof.

Das erste große Unglück, das über den Ort hereinbrach, war ein verheerendes Feuer, das 1571 den halben Ort, von der Kirche an bis zur Rheingauer Pforte, in Schutt und Asche legte.

In den nächsten Jahren geriet Frauenstein immer wieder unter Fremdherrschaft, wurde von durchziehenden Truppen geplündert, die dann auch noch die Pest und den Thyphus mitbrachten. Erst nach Ende des Dreißigjährigen Krieges (1648) war ein Aufatmen möglich. Dennoch muss Frauenstein diese Wirren recht glimpflich überstanden haben, da es bei einer Zählung im Jahre 1652 noch 34 Bürger (ohne die Hofleute und Tagelöhner) gab. Dies entspricht etwa auch der Anzahl der Frauensteiner Bürger vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges.

In den folgenden Jahren wuchs Frauenstein stetig, sodass bei einer Feststellung der zu entrichtenden Abgabe im Jahre 1699 rund fünfzig bürgerliche Hausbesitzer mit zusammen 61 Häusern und acht Hofleuten oder Beisassen ohne Haus, mit 181 Morgen Weinbergen, 212 Morgen Ackerland und 32 Morgen Wiesen gezählt wurden. Zu den wohlhabenden Bürgern dieser Zeit gehörten der Schöffe Christian Hermann Stockheimer (9 1/4 Morgen Wingert, 20 Morgen Ackerland, 2 Häuser), der Oberschultheiß J. Ph. Rheinberger (6 1/2 Morgen Wingert, 16 Morgen Ackerland, 2 Häuser) und der Unterschultheiß Heinrich Ott (mit etwa dem gleichen Besitz wie J. Ph. Rheinberger).

Nicht nur Wein wurde damals in Frauenstein gekeltert, auch Bier wurde vom Löwenwirt Joh. Jak. Streith selbst gebraut.

Dass man in Frauenstein auch einmal Kupfer gefunden hatte und es fördern wollte, geht aus dem Urkundenmaterial des Jahres 1706 hervor. Es scheint aber nur eine geringe Menge Erz gefördert worden zu sein, da es keine weiteren Erwähnungen darüber gibt und auch heute keine Hinweise mehr auf ein Bergwerk vorhanden sind.

Die genauen Grenzen der Gemarkung Frauenstein wurden bei einer Grenzberichtigung im Jahre 1723 festgelegt. Rund fünfzig Grenzsteine, auf denen auf der einen Seite das Mainzer Rad und auf der anderen der Nassauer Löwe abgebildet waren, zeigten den Verlauf der Gemarkungsgrenze an.

Um einmal die finanziellen Verhältnisse Frauensteins Mitte des 18. Jahrhunderts aufzuzeigen, haben wir hier eine Gemeinderechnung aus dem Jahre 1731 aufgestellt:

 

Einnahmen:

Einnahmen
Überschuss aus dem Vorjahre 380,00 Gulden
Grund- und Gebäudesteuer 939,24 Gulden
Herrschaftliche Abgabe 18,02 Gulden
Gewerbesteuer der fünf Handwerker 5,00 Gulden
Einnahme aus dem Schröderamt 11,50 Gulden
Von den beiden jüdischen Einwohnern zu entrichtender Betrag

als Befreiung vom Wachdienst
6,00 Gulden
Einnahme Frauensteins gesamt 1359,76 Gulden

Ausgaben

Ausgaben
An die Landschreiberei Eltville 561,54 Gulden
Kappengeld, auch an Eltville 17,00 Gulden
Martinszins 10,57 Gulden
Für das Recht, aus dem Nassauer Wald Holz zu holen 5,00 Gulden
Waldschutzgeld an den Nassauer Jäger 6,00 Gulden
Lohn für den Schulmeister 45,00 Gulden
Lohn für Ortsgerichtschreiber 5,00 Gulden
Für zwei Gerichtsgänge 2,43 Gulden
Landarzt, für freie Behandlung 2,50 Gulden
Unterhaltung des Bullen und Ebers 16,50 Gulden
2 Malter Haferzulage für die Bullen 2,50 Gulden
Lohn für den Hirten 1,00 Gulden
Papier und Tinte 3,16 Gulden
Stempelpapier 0,30 Gulden
Botenlohn 1,50 Gulden
Schlichtung eines Streites durch den Wiesbadener Amtsverweser 7,50 Gulden
Für Gänge der Gerichtspersonen 5,45 Gulden
Lohn für Steuereintreiber 1,00 Gulden
Allgemeine Gerichtskosten 6,00 Gulden
Vergütung von Nachlasssteuern 3,50 Gulden
Unterhaltung der "gemeinen Bauten" 23,08 Gulden
Neue Flinte für die Miliz 2,20 Gulden
Pulver und Blei 0,30 Gulden
Musterungskosten 0,30 Gulden
Lohn für die drei Chorsänger 6,00 Gulden
Kosten des Fronleichnamtages 5,00 Gulden
Beträge an Arme und Passanten 2,34 Gulden
Binden des Eichzubers und des Gemeinde-Legel

(Fass mit ovalem Boden zur Beförderung auf Lasttieren)
1,78 Gulden
Zinsen für die Gemeindeschulden 31,88 Gulden
Ausgaben der Gemeinde gesamt 776,33 Gulden

Anmerkungen zur Turngeschichte (1810-1884)

Aus einem Bericht der Zentraluntersuchungskommission des Deutschen Bundes (um 1830):

„Das Turnwesen kann das Gepräge der Zeit und der Verhältnisse, in der und unter denen es entstanden ist, nicht verleugnen. So wie damals in Preußen Erhebung gegen Frankreichs Druck das Ziel aller Bestrebungen war, so verband auch Jahn mit dem Turnen denselben Zweck. In dieser Absicht suchte und fand er in den Turnübungen Gelegenheit, durch Gespräch und Gesang auf das Gemüth der Jugend zu wirken, Vaterlandsliebe, Anhänglichkeit an deutsche Sitte, Hass gegen das fremde Joch und alles Ausländische in ihr zu wecken und sie in dem Gedanken zu entflammen, der Rettung des Vaterlandes ihre ganze Kraft zu widmen .... Gegen Ende des Jahres 1809 kam Jahn nach mancher Wanderung und ergriffen von dem Gedanken, zur Wiedererhebung des gebeugten Vaterlandes zu wirken, nach Berlin, und die Stimmung, die er hier fand, ließ ihn hoffen, daß für diesen Zweck hier noch etwas zu wirken sei. Er gab anfänglich Privat-Unterricht, trat dann als Lehrer an der Schule zum grauen Kloster und in der Erziehungsanstalt des Dr. Plamann ein und fing im Frühjahr 1810 mit einigen Schülern die ersten Übungen an. Jahn wollte das Turnen zu einem öffentlichen Vereinigungspunkt der Jugend machen und wünschte darum gleich anfänglich die Mitwirkung des Staates, die ihm damals aber noch nicht zugesichert werden konnte. Er betrieb also die Sache als ein Privat-Unternehmen."

Die Zentraluntersuchungskommission wurde zur Überwachung der Hochschulen und der Presse im Rahmen der Karlsbader Beschlüsse gegründet. Diese Beschlüsse waren Ergebnis einer 1819 von Metternich, anlässlich der Ermordung des Schriftstellers Kotzebue, nach Karlsbad einberufenen Ministerkonferenz des Deutschen Bundes. Ziel war die Unterdrückung liberaler und nationaler Bestrebungen. Träger dieser liberalen Bewegung waren die Burschenschaften (Höhepunkt: Wartburgfest 1818), deren Idol der heute als Turnvater bekannte Friedrich Ludwig Jahn war (1778-1852).

In den 1840er Jahren griff diese Turnbewegung auch auf unsere Heimat über. Die ersten Vereine in Wiesbaden und Umgebung waren die Turnvereine Hochheim (1845), Biebrich, Eltville, Erbenheim, Kastel, Wiesbaden und Winkel (alle 1846), Rüdesheim (1847), Dotzheim, Niederwalluf, Oestrich und Schierstein (alle 1848) sowie Geisenheim (1858).

Nachdem das Turnwesen von 1850 bis 1860 durch eine Turnsperre unterdrückt worden war, schlossen sich die Vereine 1862 zum noch heute bestehenden Turngau Süd-Nassau zusammen.

Die Unterdrückung der Vereine resultierte aus deren Unterstützung der deutschen Einheitsbewegung, weswegen sie auch als politische Gruppen angesehen und behandelt wurden.

Um ein Auseinanderfallen der Turnbewegung zu verhindern, wurde unter anderem seit 1856 die Deutsche Turnerzeitung herausgegeben. Um einmal eine Vorstellung über die Größe des Turngaus zu bekommen, hier zwei Zahlen: der Mittelrheinische Turnverband (Vorläufer des Turngaus Süd-Nassau) hatte 1861: 1426 Mitglieder, die sich auf 21 Vereine verteilten. Der erste Turntag wurde am 12.07.1868 in Wiesbaden abgehalten. Jährlich fand ein Bezirksturnen statt. Da noch kein Preisturnen durchgeführt wurde, beschränkte man sich hauptsächlich auf das Schauturnen. In den folgenden Jahren bekam die deutsche Turnbewegung einen immer größeren Zulauf. Durch eine rege Beteiligung der Vereine an öffentlichen Veranstaltungen gewannen diese zunehmend an Ansehen.

Am 28.09.1883 nahmen alle Vereine des Turngaus an der Einweihung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald teil.

Gründung des Turnvereins Frauenstein und die ersten Jahre (1884-1918)

Da aus den ersten Jahren des Turnvereins Frauenstein 1884 e.V. keine Protokolle existieren, mussten wir uns auf die handgeschriebenen Aufzeichnungen des ehemaligen Vorsitzenden und 1965 verstorbenen Johann Schmitt stützen. Da diese „private Chronik" zum größten Teil nur auf mündlichen Überlieferungen und selbst Erlebtem basiert, sind geringfügige Ungenauigkeiten nicht auszuschließen. Laut dieser Chronik fanden sich am Fastnachtssonntag des Jahres 1884 einige junge Männer im Gasthaus „Zum goldenen Roß" in Frauenstein zusammen, um einen eigenen Turnverein zu gründen. Der erste Vorstand des Vereins, dessen Mitglieder meistens zugleich auch zu den Gründungsmitgliedern zählten, setzte sich zusammen aus:

Gründungsmitgliedern
Franz Wendelin Zimmermann Vorsitzender
Valentin Gunkel 1. Turnwart
Heinrich Hofmeister 2. Turnwart
Karl Simon Schriftführer
Fritz Ott Kassierer
August Haas Zeugwart
Peter Ott I. Beisitzer
Franz Haas Beisitzer

(von links Reitz, Josef; Klepper, Adolf; Ries, Johann; Emmelheinz, Josef; Giegerich, Johann; Sturm, Ferdinand; Müller, Heinrich; Rühl, Karl; Klepper, Ernst)

Traditionellerweise wird heute noch der Fastnachtssonntag als eigentlicher Gründungstag angesehen, obwohl der Verein an diesem Tag 1884 noch nicht offiziell existierte. Im Protokoll aus dem Jahre 1922 wird zum ersten Mal dieser Gründungstermin belegt: „Am Fastnachtssonntag, der als der eigentliche Geburtstag des Vereins gilt, eine Tanzbelustigung mit Verlosung aus freiwillig gestifteten Gegenständen abzuhalten, wird einstimmig zum Beschluss erhoben." Der erste schriftliche Nachweis liegt uns mit dem Antrag des Turnvereins vom 22. Juni 1884 vor. Es handelt sich hierbei um ein Schreiben des Vorsitzenden Franz Wendelin Zimmermann an das Königlich-Preußische Landratsamt in Wiesbaden. Hier der Wortlaut:

Frauenstein 22. Juni 1884

Betrifft die Genehmigung eines Vereins unter dem Namen

"Turnverein Frauenstein"

Königliches Landrathsamt

zu

Wiesbaden!

Dem Beispiele mit welchem uns unsre Nachbargemeinden vorangegangen sind. nun

auch nachzukommen, entschlossen wir uns fest in aller Kürze einen " Turnverein" zu

bilden, wozu wir nun Königl[iches] Landrathsamt allergnädigst bitten um die

Genehmigung desselben. Zweck des Turnereins ist durch gemeinsame

Turnübungen die körperliche Kraft zu heben, Sitte und Anstand [et cetera] unter der

teilnehmenden Jugend anzustreb[en].

Wir bitten nun Königliches Landrathsamt unserem Wunsche gnädigst willfahren und

uns die Genehmigung unseres Vorhabens gefälligst zusenden zu wollen.

Frauenstein 22. Juni 1884

Franz Wendelin Zimmermann

Vorsitzender

 

Diesem Antrag wurde von Bürgermeister Sinz am 4. Juli 1884 ein Entwurf der Statuten nachgereicht. Da einige dieser Statuten sich im Laufe der Zeit geändert haben, drucken wir hier einige Paragraphen ab:

Paragraph 3

Mitglied des Turnvereins kann jeder werden, der hier ortsangehörig ist, das

17. Lebensjahr erreicht und sich eines durchaus guten Rufes zu erfreuen hat.

Paragraph 13

Turnstunden

Turnstunden finden die Woche dreimal statt. Wer ohne Gründe und Entschuldigung

dreimal aufeinander folgend in der Turnstunde fehlt, wird mit einer Geldstrafe

belegt eventuell die vom Vorstande festgesetzt wird und 20 Pfennig nicht übersteigen

darf.

Paragraph 17

Bei der Ankunft auf dem Turnplatz sind Kopfbedeckungen und Oberkleider

abzulegen. Unterhält sich ein Mitglied ein paar Turnschuhe, so sind solche beim

Weggehen am angewiesenen Platze aufzubewahren.

Paragraph 21

Auf dem Turnplatze darf bei Turnübungen weder gegessen noch getrunken und

nicht geraucht werden.

Paragraph 34

Unsittliche oder urmoralische Redensarten bei Vereinsangelegenheiten sind bei

einer Strafe von 20 Pfennig verboten, oder haben bei nicht Beibringung der

angesetzten Strafe, den unnachsichtigen Ausschluß eines betreffenden Mitgliedes

zur Folge.

 

Die frühesten uns vorliegenden Statuten sind in einem Druck aus dem Jahre 1896 erhalten.

 

 

Um sich zunächst einmal turnerisches Können anzueignen, besuchten die aktiven Mitglieder die Turnvereine in Dotzheim und Niederwalluf. Die Übungsstunden fanden vermutlich im Hof des Mitbegründers Franz Haas in der damaligen Dotzheimer Straße statt. Später diente ein freier Platz an der Burgruine als Turnstätte. Bald beteiligte man sich, nachdem man sich dem obengenannten Turngau Süd-Nassau angeschlossen hatte, an öffentlichen Auftritten.

Als der Verein größer wurde, stellte ihm die Gemeinde einen kleinen Platz zur Verfügung, zu dem der Verein ein Anliegerstück erwarb. Dieser Kauf lief über das Mitglied Valentin Eckrich. Finanzielle Unterstützung fand der Verein durch den Grafen von Hatzfeld auf Schloss Sommerberg. 1896 wechselte man das Vereinslokal. Künftig traf man sich im Gasthaus „Zur Krone", das im Besitz des Mitglieds Karl Simon war.

1874 führte der Turngau das Wettturnen ein. Das erste Gauturnfest fand in diesem Jahr in Kaub statt. Erst an späteren Gauturnfesten beteiligte sich auch der Turnverein Frauenstein; erstmalig 1909 richtete er - anlässlich des 25jährigen Bestehens - ein Gauturnfest in Frauenstein aus.

 

Festzug Gauturnfest in Frauenstein 1909

 

Eine weitere Möglichkeit, ihre turnerischen Fähigkeiten darzustellen, fanden die Frauensteiner Turner auf den Mittelrheinischen Kreisturnfesten.

In den 1890er Jahren wurde im Turngau das Frauenturnen durch Theodor Kleber (Biebrich) und Fritz Engel (Wiesbaden) eingeführt. Auch Frauenstein verfügte bald über eine ansehnliche Frauenriege. Sie wurde 1909 durch die Turnwarte Heinrich Haas und Andreas Ott gegründet. Die ersten aktiven Damen sind auf diesem Foto abgebildet:

 

Heinrich Haas, eh. Haas, M. Schneider, K. Fuchs, E. Demant, G. Schneider, E. Gunkel, A. Emmelheinz, L. Ungeheuer, B. Schmitt, G. Simon

 

Aus dem Jahr 1909 liegt uns auch eine Inventaraufstellung vor. Unter anderem sind folgende Gegenstände aufgeführt:

2 Recke mit Stangen

2 Barren

1 Pferd

3 Matratzen

1 Tisch, feststehend

1 Bank, feststehend

1 Fahne

3 neue Schleifen

3 alte Schleifen

1 Trinkhorn

1 Bühne aus mehreren Teilen mit Kulissen

 

Seit 1913 ist die Geschichte des Turnvereins gut überliefert, da von dieser Zeit an die Sitzungsprotokolle fast vollständig erhalten sind. Anhand dieser Protokolle ist zu erkennen, dass während des 1. Weltkrieges das Turnen ruhen musste, da die meisten jungen Turner eingezogen waren. Im ersten Kriegsjahr konnte der Vereinsbetrieb noch aufrecht erhalten werden, dann wurden alle Aktivitäten eingestellt. Das Inventar übergab man Oberturnwart Andreas Ott I. zur Betreuung, der stellvertretend während des Krieges die Vereinsgeschäfte führte.

Auch die Frauensteiner Turner hatten durch den Krieg Tote zu beklagen. Eine genaue Angabe über die Gefallenen lässt sich heute nicht mehr machen.

Am 6. April 1919 wurde in der ersten Generalversammlung nach dem Krieg der neue Vorstand gewählt. Aus den Protokollen dieser Jahre geht hervor, dass außer den traditionellen Fastnachtsveranstaltungen auch vereinsinterne Familienfeste sowie größere Neujahrsfeste veranstaltet wurden. Höhepunkt dieser Feiern waren die selbsteinstudierten Theaterveranstaltungen, die in Frauenstein großen Anklang fanden. Eine Programmschrift aus dem Jahre 1920 ist uns noch erhalten:

Bild 9: Programm

Auch wurde der Turnverein auf den Loreley-Bergfesten immer von einer Anzahl der aktiven Mitglieder vertreten.

Bild 10: Teilnehmer am Bergfest Loreley 1929

Um nun endlich einen eigenen Turn- und Spielplatz zu bekommen, stellte man nach längeren Bemühungen in der Sitzung vom 15.05.1919 einen Antrag:

„Antrag über Beschaffung eines Spielplatzes, wozu erörtert wird: Bei der Besichtung einer Abordnung der Regierung (Abt. Domäne) auf dem Gute Armada zum Zwecke der Aufteilung derselben, war der Vorstand, ein Vertreter des Ausschusses, des Fußballvereins und der Kreis-Turninspektion dort selbst vorstellig zur Ablassung eines geeigneten Grundstückes, wozu von uns der seit Jahren brach liegende Acker beim Hofe an der Wegkreuzung nach dem Eichenwalde und Mühlbach vorgesehen wurde. Unser Anliegen wurde uns durch den Pächter, was nach unserer Ansicht vorher mit dem Domänenamt abgekartertes Spiel zu sein schien, mit folgender Äußerung abgelehnt bzw. vorläufig zurückgestellt: ‚Das Stück Land (100 x 80 qm) ist eines von der besten Bodenbeschaffenheit, was ich besitze, und beabsichtige ich, bei der ersten Bestellung dieses mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu bebauen!'" Die Bemühungen um dieses Gelände blieben ohne Erfolg.

Da eine zweite Turnerschaft in Frauenstein gegründet worden war, verringerte sich die Zahl der Mitglieder des Turnvereins durch Abwanderung erheblich. 1920 musste sogar das Vereinslokal in das Gasthaus „Zur Burg" verlegt werden, da sich beide Vereine ins Gehege kamen.

„Da sich hier im Orte eine ‚Freie' Turnerschaft gebildet hat und als Standlokal das Gasthaus „Zur Krone" erwählt hat, fasst die Versammlung mit Stimmenmehrheit folgenden Beschluss:

Da die Bestimmungen und Statuten der ‚Deutschen Turnerschaft' mit denen der ‚Freien' im schroffen Gegensatze stehen, was auch ein Zusammenleben in einem Lokal unmöglich macht, sieht sich die Versammlung veranlasst, das Lokal zu räumen und erteilt dem Vorstand die Vollmacht, nach einem anderen Umschau zu halten."

Die erste Sitzung im Gasthaus „Zur Burg" fand am 26.06.1920 statt.

In der Folgezeit kam es zwischen den beiden Turnerschaften zu Auseinandersetzungen, die erst später zielstrebig abgebaut werden konnten, da man schließlich doch friedlich zusammen existieren wollte. Auch die Turnstätte wurde in diesem Jahr gewechselt. „Da uns das seitherige Turnlokal (Rathaus) infolge anderweitiger Benutzung von der Gemeinde genommen werden soll, wurde sich der Vorstand schlüssig, die Halle des hiesigen Winzervereins mietweise als Ersatz zu erwerben."

Jährlich wurde vom Turnverein ein Anturnen veranstaltet. Der Antrag aus dem Jahre 1921 an das Preußische Landratsamt in Wiesbaden ist noch erhalten:

Bild 11: Antrag Anturnen

Über die Anfertigung der Ehrentafel, deren Enthüllung in obigem Antrag angekündigt wird, heißt es im Protokoll: „Nach eingeholten kollegtierten Mustern wird die Ausführung bei dem Atelier Blankhorn in Cassel bestellt. Der Preis beträgt ohne Rahmen 630 M. Der Rahmen soll von Johann Reitz angefertigt werden."

Am 24.05.1921 wurde der Turnverein als eingetragener Verein (e.v.) registriert.

1922 beteiligte sich der Turnverein am 50-jährigen Jubiläum des Männergesangsvereins Frauenstein im Festzug mit Kostümierung als Friedrich Ludwig Jahn, der von Wilhelm Rühl dargestellt wurde.

Bild 12: Festzug zum 50-jährigen Jubiläum des Männergesangsvereins Frauenstein.

Am 16./17.08.1924 wurde das Jubiläum des 40-jährigen Bestehens des Turnvereins Frauenstein wegen der Wirtschaftskrise im kleinen Rahmen gefeiert. Die Wirtschaftskrise brachte auch für den Verein Probleme mit sich, so mussten z.B. die Beiträge ständig erhöht werden, um die Geldentwertung auffangen zu können. Folgende Liste der Vierteljahresbeiträge haben wir einmal zusammengestellt:

Jahresbeiträge
Datum Turner Zöglinge Schüler Damen
14.01.1922 2M 1,5M 1 M 1,5M
05.08.1922 5M 3M 2M 3M
07.10.1922 10M 5M 3M 5M
06.01.1923 30M 15M 5M 15M
02.06.1923 300M 200M 100M 200M
14.10.1923 1.000.000M 500.000M 330.000M 500.000M

Um den ständigen Problemen mit der Turnstätte in der Winzerhalle aus dem Wege zu gehen, beschloss man 1925, einen Baufond zu gründen, um eventuell in der folgenden Zeit ein eigenes Turnerheim zu errichten. Einer der ersten Beiträge zum Baufond waren 100 M aus dem Gesamterlös von 157 M der Fastnachtsveranstaltung.

1926 nahm der Turnverein am Gauturnfest Waldstraße teil.

Bild
 13: Gauturnfest Waldstraße

Auch an den Bezirksturnfesten beteiligte sich der Turnverein Frauenstein.

Bild
 14: Bezirksturnfest

1930 wurde das Vereinslokal in die Winzerhalle verlegt, wo auch die Übungsstunden abgehalten wurden. Anlässlich der Befreiungsfeier zum Abzug der französischen Besatzungstruppen war der Turnverein beim Fürsten von Hatzfeld zum Feuerwerk eingeladen.

Am 23.08.1931 fand das Bezirksjugendturnfest in Frauenstein statt. Zu diesem Anlass wurde der Turnplatz hinter dem Friedhof („Turnplätzje") eingeweiht, den der Verein zuvor von Johann Dillitz für 750 RM erworben hatte.

Die Zeit von 1933 bis 1945

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde die Leibeserziehung im Hinblick auf die Wehrertüchtigung gefördert. Am 13.05.1933 wurden die Turnvereine gleichgeschaltet, das heißt, der Verein musste sich der zentralen Steuerung unterordnen. An die Stelle eines Vereinsvorsitzenden trat ein Vereinsführer, dessen Amtsführung von der Zustimmung der Gauführung abhing. Der Vereinsführer wurde von der Mitgliederversammlung gewählt, er ernannte dann ohne Wahl die weiteren Mitglieder des Vorstands. Für den Turnverein ergaben sich daraus nach innen kaum Veränderungen, nach außen passte man sich den neuen Verhältnissen an. Dieselben Männer, die den Verein bisher geleitet hatten, bestimmten auch weiterhin sein Schicksal, und so blieb für den kleinen Turnverein Frauenstein zunächst alles beim Alten.

Das nächste große Ziel, das man ins Auge fasste, war das Fest zum 50-jährigen Jubiläum im Jahre 1934. Die Zeiten waren schlecht. Dennoch wurde es ein gelungenes Fest, an dem sich das ganze Dorf beteiligte. Man feierte an drei Tagen (18., 19., 20. August 1934) auf dem „Turnplätzje" hinter dem Friedhof, wo ein Festzeit aufgebaut worden war. Die Festfolge: Samstagabend: Fackelzug durch die geschmückten Dorfstraßen zum Festzelt, Kommers, Turnvorführungen des Vereins, Gesangsvorträge von Cäcilienverein und Männergesangverein;

Sonntag: Gottesdienst, Totenehrung auf dem Friedhof, Festzug zum Festplatz, Schauturnen auswärtiger Vereine (Schierstein, Dotzheim, Rauenthal), Chorvorträge von Cäcilienverein und Männergesangverein, Festball;

Montag: nachmittags Kinderbelustigung, abends gemütlicher Ausklang mit Tanz.

In den folgenden Jahren bewegte sich das Vereinsleben in gewohnten Bahnen. Man besuchte die traditionellen Turnfeste und hielt auch an den eigenen Veranstaltungen fest: Neujahrsball, Maskenball, Anturnen im Frühjahr, Abturnen im Herbst. Auch die Sorgen blieben dieselben: finanzielle Nöte, mangelhafte Beteiligung der Mitglieder an der Vereinsarbeit, unzureichende Übungsstätten. Letzteres blieb eine Misere, die den Verein bis in die sechziger Jahre begleitete, als es schließlich gelang, eine eigene Turnhalle zu errichten.

Wie beschränkt die Finanzmittel waren, zeigt der Jahresabschluss des Jubiläumsjahres 1934: Bei Einnahmen von insgesamt 645,37 Reichsmark schloss der Etat mit einem Defizit von 2,58 Reichsmark ab.

Erst der Krieg schränkte dann die Tätigkeit des Vereins ein. Die meisten aktiven Turner wurden zur Wehrmacht eingezogen. Im Protokoll einer Versammlung vom 02.02.1941 heißt es, dass „22 der besten Vereinsmitglieder unter Waffen stehen". Die Staatsführung forderte, dass der Turnbetrieb weitergehen solle, denn Turnen diente der Wehrertüchtigung. Mehr und mehr musste aber der Turnbetrieb eingeschränkt werden; für die Betreuung der Jugend fehlte es schließlich an Turnwarten. Das Protokoll der letzten Jahresschlussversammlung im Krieg stammt vom 27.02.1943. Darin wird bedauert, dass die Betreuung der Jugend im bisherigen Umfang nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Da weitere Protokolle und Aufzeichnungen fehlen, muss angenommen werden, dass der Turnbetrieb in den letzten beiden Kriegsjahren vollständig zum Erliegen kam. Schrecklich waren die Kriegsverluste, die den Verein in doppelter Hinsicht trafen: Einmal fehlten beim Neuaufbau nach 1945 die aktiven Turner, zum anderen mangelte es an Turnwarten, die nun die Schüler und Zöglinge unterrichten konnten.

Bild 15: Turner (von links Rühl, Karl; Ries, Johann; Reitz, Josef; Klepper, Ernst; Emmelheinz, Josef ; Sturm, Ferdinand; am Reck Heinrich Müller) beim Reckturnen.

Der Wiederaufbau nach 1945

Als sich 1945 nach dem Zusammenbruch das Leben allmählich zu normalisieren begann, wagte man auch beim Turnverein einen neuen Anfang. Schon am 30.12.1945 wählte eine Generalversammlung einen neuen Vorstand, und man begann mit dem Wiederaufbau des Turnbetriebs. Auf die Sport treibenden Vereine wurde von der amerikanischen Besatzungsmacht Druck ausgeübt, sich zusammenzuschließen, weil sie alleine nicht lebensfähig seien. Nachdem sich aber herausstellte, dass die Behörden keinen Zwang auszuüben wünschten, wurde am 06.01.1946 beschlossen, den Verein in seiner bisherigen Form bestehen zu lassen. Damit war (unter dem Vorsitz von Peter Josef Reitz) die Selbständigkeit des Turnvereins gerettet.

Noch im Sommer desselben Jahres fand in Schierstein das erste Gauturnfest nach dem Krieg statt. Der Turnverein Frauenstein beteiligte sich daran mit 5 aktiven Turnern, von denen 3 als Sieger heimkehrten. Das war der bescheidene Wiederanfang. Im Dezember wurden dann im Gasthaus „Zur Krone" ein Schauturnen und am Neujahrstag ein Tanzabend abgehalten. Beide Veranstaltungen sollten werbend unter der Jugend wirken. Tatsächlich erlebte der Verein in den folgenden Jahren einen bescheidenen Aufstieg. Die meisten Neuanmeldungen betrafen Schüler von 8 - 12 Jahren. Beim Schauturnen am 09.011.1947 werden als aktive Teilnehmer erwähnt: 13 Turner; 11 Damen, 40 Schüler und 32 Schülerinnen. Im Jahresverlauf 1950 stehen 16 Abmeldungen 59 Anmeldungen gegenüber, fast ausschließlich Schülerinnen und Schüler. Diese erfreuliche Mitgliederentwicklung brachte aber auch zusätzliche Belastungen für den Verein. Nach wie vor mangelte es an ausgebildeten Turnwarten. Man war gezwungen, Nachwuchs aus den eigenen Reihen heranzubilden.

Vorübergehend brachte der Kreiskinderturnwart Horst Bahr Erleichterung, als er 1951 wöchentlich eine Turnstunde in Frauenstein übernahm. Im Herbst desselben Jahres wurde Gerhard Schnabel, selbst erst 17 Jahre alt, auf einen Vorturnerlehrgang geschickt. Die Hauptlast des Turnbetriebes hing aber in diesen Jahren an den „Alten". Da es unmöglich ist alle diejenigen namentlich zu erwähnen, die als Turnwarte dem Verein in den Nachkriegsjahren gedient haben, seien hier nur die verdienstvollsten erwähnt: Heinrich Simon, Andreas Ott II., August Reitz, Wilhelm Rühl, Felix Homa und für das Mädchenturnen Elisabeth Wixwat.

Turnhallenbau

Ein weiteres Problem hatte den Verein seit seiner Gründung begleitet: die Frage der Übungsstätte. Bis 1921, als die Winzerhalle Vereinslokal wurde, hatte man in verschiedenen Frauensteiner Saalbauten geturnt. Immer wieder war es zu Querelen mit den Gastwirten gekommen, so dass ein Lokalwechsel unvermeidlich wurde. Franz Klepper schreibt dazu: „Wir wollen hierbei keineswegs behaupten, dass es an dem guten Willen des Hausherrn liegt, wenn ein Turnverein öfter das Lokal wechseln muss. Dieser unerfreuliche Zustand ist naturbedingt in der Eigenart eines Turnbetriebs begründet. Bei dem notwendigen Aufwand mit Turngeräten, meist nicht geräuscharmer und lebhafter Entfaltung der Jugend werden Lokal und Nerven strapaziert und die Harmonie zwischen Hausherr und Verein manchmal getrübt."

Diese Lokalwechsel hörten nun auf. Bis zur Fertigstellung der eigenen Turnhalle blieb die Winzerhalle Vereinslokal.

Der Übungsraum in der Winzerhalle war für den Turnbetrieb keineswegs ideal. Er diente der Winzergenossenschaft gleichzeitig als Kelterhalle und war mit Keltern, Bütten und anderen Kellereigeräten teilweise zugestellt. Die Verhältnisse besserten sich für den Turnverein, als nach dem Krieg die Winzergenossenschaft ein separates Kelterhaus baute, in dessen unbenutztem Obergeschoss sich der Turnverein für mehrere Jahre häuslich einrichtete. Hier war nun genügend Platz für ein Ringgerät, zwei Recks, drei Barren, ein Pferd und einen Kasten. Im Winter 1954 wurde das Kelterhaus umgebaut. Durch den Einbau eines Maischebehälters verkleinerte sich der dem Turnbetrieb verbleibende Raum beträchtlich. Während der Zeit der Weinlese musste das Turnen ganz eingestellt werden, wie auch schon während der Bauzeit 1954/55.

Es war abzusehen, dass die bisherige, für den Turnverein so vorteilhafte Zusammenarbeit mit der Winzergenossenschaft ihrem Ende entgegengehen würde. Der Weinbau expandierte, und die Winzer brauchten ihre Räumlichkeiten für eigene Zwecke. Deswegen konnten ihnen die Turner nicht böse sein, im Gegenteil: Für die mehr als 30-jährige fruchtbare und großzügige Zusammenarbeit gebührt der Winzergenossenschaft unser aller Dank.

Nun galt es, aus dieser Situation einen Ausweg zu suchen. Dieser konnte nur darin bestehen, eine eigene Sporthalle zu errichten. Solche Pläne waren früher schon des Öfteren diskutiert worden, waren aber nie bis zu einem konkreten Planungsstadium gediehen. Immer fürchtete man das finanzielle Risiko und wähnte den Verein nicht finanzkräftig genug, um ein solches Abenteuer zu wagen.

Es erwies sich nun in dieser Situation als glückliche Fügung, dass der Verein in Wilhelm Rühl einen besonders tatkräftigen Vorsitzenden besaß, der in den folgenden Jahren unermüdlich und mit zuversichtlichem Optimismus den Turnhallenbau vorantrieb.

Nach langen Verhandlungen mit der Stadt Wiesbaden gelang es, ein Baugrundstück an der Herrnbergstraße in Erbpacht zu erhalten. Den finanziellen Grundstock legte eine Baustein-Sammlung, an der sich die Frauensteiner Bevölkerung beteiligte. Zuschüsse kamen von Stadt und Land. Doch den größten Beitrag zum Gelingen leistete der Verein selbst. Lesen Sie hierzu das Kapitel „Kleine Baugeschichte".

Vom Sommer 1960 an wurde fünf Jahre lang gebaut, bis man die Halle im Mai 1965 feierlich einweihen konnte. Viele Vereinsmitglieder hatten an Abenden und Wochenenden zusammen gearbeitet, um das Werk zu vollenden, unmöglich, ihre Namen alle zu nennen. Besonders erwähnt seien hier nur: Wilhelm Rühl, der die Verhandlungen mit den Behörden führte und sich vor allem gemeinsam mit dem Kassierer Wilhelm Reitz um die Finanzierung kümmerte; Anton und Kurt Schmitt, die Architekten und Bauingenieure, denen die Bauplanung, Statik und technische Überwachung oblag; Johann Emmelheinz, der Bauführer, der im Alter von 76 Jahren 1960 die praktische Bauausführung übernahm und bis zur Fertigstellung 1965 leitete; Karl Huber, der in hohem Alter die rechte Hand des Bauführers war; Arthur Hilsdorf, durch dessen Vermittlung dem Verein jahrelang Baumaschinen kostenlos zur Verfügung standen.

In der Zeit von 1955 bis zur Einweihung unserer Turnhalle 1965 musste sich der Verein mit verschiedenen Notlösungen behelfen. Im Winter 1956/57 turnte man mit allen Abteilungen im Gasthaus „Zur Burg". Später war das Ausweichquartier vorübergehend die Scheune von Franz-Josef Ott II. Danach konnte ein Vorraum der Schulbaracke benutzt werden. Kein Wunder also, dass alle der Fertigstellung der Turnhalle entgegenfieberten.

Bild 16: Wanderung des Turnvereins 1953 (Monstranzenbaum)

Feste und besondere Ereignisse nach 1945

1951 sollte in Frauenstein das Gaukinderturnfest stattfinden. Der Besitzer des Hofgutes Groroth, Herr Reichle, hatte dem Verein eine Wiese zwischen dem Hofgut Groroth und der Grorother Mühle zur Verfügung gestellt, dort in landschaftlich reizvoller Umgebung sollte das Fest ablaufen. Leider fiel dann das Kinderturnfest buchstäblich ins Wasser; wolkenbruchartige Regenfälle hatten die Festwiese in einen Morast verwandelt.

Als der Verein zwei Jahre später noch einmal beauftragt wurde, das Gaukinderturnfest auszurichten, wurde es ein voller Erfolg. Das Fest fand auf derselben Wiese statt, die auch für die geplanten Wettkämpfe 1951 vorgesehen war. Das Protokoll vermerkt: „Schon früh am Morgen des 14.06.1953 begannen nach Gottesdiensten beider Konfessionen und einem gemeinsamen Lied die Wettkämpfe. Mädchen und Buben (fast 1.300) gaben ihr Bestes, und die Leistungen lagen nach Aussagen der Wettkampfleitung im Durchschnitt erfreulich hoch. Der Nachmittag war dem ‚Bunten Rasen' mit Tanz und Spiel gewidmet. Noch bunter und schöner wurde das Bild auf den Wiesen, als gegen Ende der Wettkämpfe ein Massenturnen stattfand."

Bild 17: Gaukinderturnfest

1952 fand im Vereinslokal Winzerhalle der Gauturntag statt.

Das nächste große Ereignis der Vereinsgeschichte war das 75-jährige Jubiläum unter der Leitung des 1. Vorsitzenden Wilhelm Rühl am 9., 10. und 11. Mai 1959. Das Dorf war mit Birkenreisig, Fahnen und Girlanden geschmückt worden. Auf dem damaligen Platz der Raiffeisen-Genossenschaft, unterhalb der Burgruine, stand das Festzelt. Der Kommers am Samstagabend brachte neben Ansprachen und Ehrungen ein turnerisches Programm des TVF, Vorführungen der beiden Radlerklubs Nassovia und Viktoria sowie Gesangsdarbietungen des Cäcilienvereins, des Männergesangvereins und des Volkschors Liederkranz. Vor allem der Tanz des Donauwalzers der Turnerinnen, musikalisch umrahmt vom Volkschor Liederkranz und der Musikkapelle, war einer der Höhepunkte der Darbietungen.

Bild 18: Gaukinderturnfest

Am folgenden Sonntag wurden die Frauensteiner schon um sechs Uhr vom Spielmannszug des Vereins geweckt. Nach dem Festgottesdienst folgte die Totenehrung auf dem Friedhof. Am Nachmittag fand dann im Festzelt ein großes Schauturnen statt. Außer der Kreisriege beteiligten sich Riegen der Turnvereine aus Dotzheim, Kostheim, Rauenthal, Schierstein und vom Turnerbund Wiesbaden. Der Tag klang mit einem großen Festball aus.

Am Montag folgten auf den Frühschoppen nachmittags eine Kinderbelustigung und abends der Abschlussball.

Bild 19: Deckblatt der Festschrift 1959

Bild 20: Darbietungen von Turnern und Turnerinnen anlässlich des 75jährigen Jubiläums im Festzelt

Im Herbst 1962 konnte die erste Vorstandssitzung in der noch nicht ganz fertiggestellten Turnhalle abgehalten werden. Erst gegen Ende des Jahres 1964 konnte die Halle auch sportlich genutzt werden. Die offizielle Einweihung fand im folgenden Jahr am 8. Mai 1965 statt. Die Festansprache hielt der Vorsitzende des Turngaus Süd-Nassau Hanns Altmannsberger. Er überreichte dem 1. Vorsitzenden Wilhelm Rühl goldene Nadel und Ehrenbrief des Deutschen Turnerbundes. Der Bauleiter, „Meister" Johann Emmelheinz, mittlerweile 82 Jahre alt, erhielt als besondere Anerkennung eine Ehrenplakette. Oberbürgermeister Georg Buch überreichte Urkunden und Sportehrennadel der Stadt Wiesbaden an „Meister" Johann Emmelheinz, seinen Helfer Karl Huber und die Architekten Anton und Kurt Schmitt. Als Überraschung für den Kassierer Wilhelm Reitz hatte der Oberbürgermeister einen Scheck über 3.000 DM mitgebracht. Außerdem forderte er den Verein auf, sich in das „Goldene Sportbuch" der Stadt Wiesbaden einzutragen. Turnerische Vorführungen und Gesangsbeiträge des Männergesangvereins und des Volkschors Liederkranz umrahmten die Veranstaltung. Am folgenden Sonntagnachmittag folgte ein Schauturnen.

Das nächste große Ereignis war das 90-jährige Jubiläum 1974 (unter der Leitung des 1. Vorsitzenden Hubert Katzer). Es begann am Freitagabend (27.09.1974) mit einem Festakt. Die Gesangvereine Cäcilienverein, Männergesangverein und Volkschor Liederkranz umrahmten mit Liedvorträgen die Ansprachen, die Übungen der Jugendturner und die rhythmische Gymnastik der Frauen. Für den verdienten früheren 1. Vorsitzenden Wilhelm Rühl wurde eine Gedenktafel enthüllt. Am folgenden Samstagabend fand ein Festball statt, am Sonntag gab es vormittags einen Festgottesdienst, anschließend folgte die Totenehrung, und danach traf man sich in der Turnhalle zum Frühschoppen. Am Nachmittag zeigten dann die einzelnen Turnabteilungen in der Halle einen Querschnitt ihrer Arbeit.

Eine weitere herausragende Veranstaltung in der Vereinsgeschichte war das Gauturnfest des Turngaus Süd-Nassau am 15. Juni 1975 auf dem Sportplatz Bodenwaage. Mit über 500 Teilnehmern war es sehr gut besucht. In 50 Riegen kämpften die Turnerinnen und Turner um die Platzierungen. Als am Nachmittag ein Gewitterregen niederging, der den Sportplatz in einen morastigen Tümpel verwandelte, musste der Wettkampf abgebrochen werden. Da zu diesem Zeitpunkt die Einzelwettkämpfe bereits abgeschlossen waren, waren vom Abbruch nur die Mannschaftskämpfe betroffen.

Die Vereinsentwicklung nach dem Turnhallenbau

Im Laufe der langen Bauzeit waren die Kräfte des Vereins so stark durch die Bauarbeiten gebunden, dass die turnerischen Aktivitäten mehr und mehr zum Erliegen kamen. Gegen Ende der Bauzeit übte lediglich die Leichtathletikgruppe noch regelmäßig.

Bei der Einweihung der Turnhalle 1965 hatte Hanns Altmannsberger in seiner Festansprache mahnend gefordert, nun müsse auch für eine „sinnvolle Lebendigkeit" in der neuen Halle gesorgt werden. Zunächst war aber eine gewisse Müdigkeit im Verein festzustellen. In den Protokollen der Generalversammlungen ist mehrfach festgehalten, dass der Vorsitzende Desinteresse und mangelnde Mitarbeit beklagte. Offenbar hatte die lange Bautätigkeit zu einer Überanstrengung geführt, von der man sich erst erholen musste.

Die neue Halle brachte aber auch schon während der Bauzeit positive Impulse. 1964 und noch einmal 1965 war die Zahl der Mitglieder beträchtlich gestiegen (von 210 auf 331). Neue Abteilungen konnten eingerichtet werden. Vor allem Tischtennis erfreute sich zunehmender Beliebtheit.

Bis zum Bau der Turnhalle lagen die Turnstunden in den Händen ehrenamtlich wirkender Turnwarte. Lediglich auswärtige Übungsleiter erhielten eine geringe Vergütung. Später wurden Entgelte auch an Vereinsmitglieder gezahlt. 1969 beantragte der Verein zum ersten Mal für drei Übungsleiter Zuschüsse aus dem „Rot-Weißen-Programm" des Landes Hessen.

Trotz aller Schwierigkeiten ging es nun rapide bergauf. 1965 wurde eine besonders erfolgreiche Gymnastikgruppe der Frauen (1984: 25 Teilnehmerinnen) unter der Leitung von Elisabeth Wixwat gegründet.

Am 22.05.1966 fand in der Turnhalle das erste Anturnen statt. Regelmäßig wurden wieder Jahr für Jahr die traditionellen Turnfeste besucht, insbesondere das Gaukinderturnfest, das Gauturnfest und das Bergfest auf der Bubenhäuser Höhe. Neu eingerichtet wurde ein „Vereinstag" (Vereinsmeisterschaft), bei dem auf dem Sportplatz Bodenwaage und in der Turnhalle an zwei Tagen Wettkämpfe stattfanden (erstmals am 28./29. September 1968): Tischtennisausscheidungskampf, Leichtathletikwettkämpfe, 5000-m-Waldlauf und turnerische Wettkämpfe.

Ende 1969 wurde als neue Übungsgruppe eine Gruppe Männergymnastik eingerichtet. Die Turnhalle war nun in der Woche an 13 Stunden belegt, wie der Übungsplan von 1970 ausweist. Etwa 120 Aktive übten in 10 Gruppen. Am rührigsten waren die Leichtathleten (12 Mann), die an 26 Einzel- und neun Mannschaftswettkämpfen teilnahmen (1970).

1971 war die Halle an 15 Stunden belegt. Die Männergymnastik-Gruppe war umbenannt worden in „Gymnastik für jedermann", später in „Gymnastik für Ehepaare".

1973 übte man bereits mit 12 Gruppen in zusammen 18 Wochenstunden.

1974 stieg die wöchentliche Übungszeit auf 21 Stunden. Zum ersten Mal wurde auch Tennis angeboten und ebenfalls erstmalig versuchsweise eine Volleyballgruppe eingerichtet. Die Volleyballgruppe schlief bald wieder ein. An Tennis bestand dagegen zunächst ein lebhaftes Interesse.

Bald fasste man als Ziel einen vereinseigenen Tennisplatz ins Auge. Beratungen im Vorstand und Verhandlungen mit der Stadt Wiesbaden wegen eines geeigneten Grundstücks scheiterten an der Frage der Finanzierung. Als abzusehen war, dass ein eigener Tennisplatz wohl Wunschtraum bleiben würde, erlahmte das Interesse an dieser Abteilung; im Übungsplan von 1979 ist sie nicht mehr aufgeführt.

Die Mitgliederzahl stieg mit leichten Einbrüchen 1973 und 1978 stetig an. 1975 konnte das 500. und 1983 das 600. Mitglied aufgenommen werden. Entsprechend stieg auch die Zahl der Aktiven.

1977 war von Frau Beuter eine Gruppe Jazz-Gymnastik neu ins Programm genommen worden. Die Halle war nun an 28 Stunden in der Woche belegt. Die Spitze der Belegung wurde 1978 mit 30,5 Stunden erreicht. Besonders erfolgreich waren in diesem Jahr die beiden Tischtennismannschaften, zusammen 40 Spieler. Die erste Mannschaft wurde Herbstmeister und Kreispokalsieger in der B-Klasse, die zweite Mannschaft belegte den 5. Platz in der Punktrunde und wurde 3. Kreispokalsieger in der D-Klasse.

Im Jubiläumsjahr 1984 war die Turnhalle an 28 Stunden in der Woche belegt. 19 Gruppen übten unter der Anleitung von 14 Turnwarten. Die wichtige Aufgabe, den turnerischen Nachwuchs zu betreuen, lag vor allem in den Händen von Agnes Lupp.

Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf einen weiteren wichtigen Aspekt der Vereinstätigkeit. Wir erinnern uns: Nach der Überlieferung soll der Turnverein 1884 am Fastnachtsonntag gegründet worden sein. Daraus ergab sich die Tradition der Maskenbälle am Fastnachtsonntag. Frauenstein ist ein Weindorf, und die Frauensteiner feiern gerne und ausgiebig. Zum Maskenball kam ein Neujahrsball. Diese Veranstaltungen wurden seit 1965 in der Turnhalle abgehalten. Später wurde ein Kindermaskenball ins Jahresprogramm aufgenommen. Seit 1974 wird Jahr für Jahr ein Weihnachtsmärchen aufgeführt.

Je umfangreicher das Programm wurde, desto enger wurde es in der Turnhalle. Nicht nur für die Sportgeräte, auch für Tische und Stühle, die bei den gesellschaftlichen Ereignissen gebraucht werden, musste Platz geschaffen werden. Mehrmals im Laufe der Jahre wurden deshalb Baumaßnahmen zur Erweiterung, Ergänzung und Modernisierung notwendig. Stets stand das Prinzip der Selbsthilfe an oberster Stelle